
Interview mit Jonas Reif
Von Pflanzen und Menschen
Jonas Reif hat die „Gartenpraxis“, ähnlich wie zuvor Karlheinz Rücker, in verhältnismäßig jungen Berufsjahren übernommen. Dennoch gelang auch ihm, das Magazin auf dem sehr hohen fachlichen Niveau zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dass ihm besonders die heranwachsende Generation Pflanzenkenner mit deren aktuellen Herausforderungen am Herzen liegt, schildert er mir im folgenden Interview.
von Martin Staffler erschienen am 19.12.2024
M. S.: Jonas, Du hast 2011 die „Gartenpraxis“ von Karlheinz Rücker übernommen, der die Latte, sowohl hinsichtlich seiner Dienstjahre als auch inhaltlich auf das Heft bezogen, sehr hoch gehängt hatte. Was ist Dir aus dieser Zeit noch in Erinnerung?
J. R.: Ich war 29 Jahre alt und hatte keinerlei journalistische Ausbildung. Auf Empfehlung des damaligen Buchvertriebschefs Michael Kurzer-Garber war ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Ich war erstaunt, dass Karlheinz Rücker und Matthias Ulmer mir diese Aufgabe nach dem Gespräch zugetraut haben. Karlheinz Rücker – für mich wird er immer „Mr Gartenpraxis“ bleiben – ist es zu verdanken, dass die „Gp“ (Anm. d. Red.: so kürzen viele Leser das Magazin liebevoll ab) nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland ein enormes Renommee hat. Hierzulande wird auf die eigene Gartenkultur häufig recht verächtlich geblickt … Die „Gartenpraxis“ selbst ist durchaus ein Gegenbeweis.
Neben einer Modernisierung des Layouts hast Du peu à peu auch einige inhaltliche Schwerpunkte neu gesetzt. Was siehst Du rückblickend als besonders wichtige Erneuerungen, welche Rubriken haben gezündet?
Der Schwerpunkt des Magazins war und ist die Pflanze und der gärtnerische Praxisbezug. Karlheinz Rücker hat auch immer wieder das Verhältnis von Garten und Kunst thematisiert. Neben der neuen Rubik „Inspiration Natur“ war es mir wichtig, mehr „Blut“ ins Heft zu holen – sprich den gärtnernden und gestaltenden Menschen. Angespornt hat mich auch Antoine Isambert, damaliger Leiter der Éditions Ulmer, der mit einer neuen Buchreihe Gärten in Frankreich bildgewaltig porträtierte.
Jahrelang haben manche Abonnenten die „Gartenpraxis“ von hinten her gelesen. Du weißt, was ich meine? Die Kolumne von Jörg Pfenningschmidt war ein großer Erfolg und manches Mal fragen mich heute noch Leser, ob man den nicht wieder ins Heft nehmen könnte …
In einem Lehrgang für Volontäre, den ich in meinen ersten Wochen besuchen durfte, wurde kritisiert, dass viele Journale auf den letzten Seiten stark abflachen… und dies, obwohl nachgewiesen sei, dass viele Leser ein Magazin eher von hinten durchblättern. Daraus entstand die Idee mit dem Foto auf der letzten Innenseite und der Kolumne. Als ich diese Vorhaben im Bekanntenkreis erwähnte, wurde mir ein für mich bis dato unbekannter Hamburger empfohlen, der „ganz gut über Garten schreiben könne“. Pfenningschmidt war der größte Glücksgriff.
Als er dann ankündigte, nur noch für das 100-fache Honorar zu schreiben (Jörg hat mir gesagt, dass ich das genau so schreiben soll, weil sowieso niemand glauben würde, dass ihm nichts mehr eingefallen ist), war unsere Beziehung beendet.* (*Ein Leitspruch aus selbigem Lehrgang lautete: Keine Ironie, denn das versteht der Leser nie.)
Herr Rücker war ein reiselustiger Gartenkenner. Bei Dir, Jonas, habe ich den Eindruck, dass Du noch öfter auf Achse warst. Am Schreibtisch hält es Dich nicht lange, oder?
Die „Gartenpraxis“ 2011 bis 2018 wäre ohne die vielen Reisen, die ich während meiner Jahre gemacht habe, niemals möglich gewesen. Erst die Gärten, Gärtnereien oder Naturstandorte, wo ich viele Gespräche mit Autoren und Akteuren geführt habe, gaben mir ein tieferes Verständnis für Relevantes. Viele Artikelideen sind vor Ort entstanden. Vor allem, wenn es darum geht, neueste Entwicklungen zu erkennen, muss man draußen dabei sein, es selbst erleben.
Dass ich reisen konnte, war nur möglich, weil ich mich immer auf mein Team in Stuttgart verlassen konnte. Kirsten Unshelm, bis heute die gute Seele der „Gartenpraxis“, Michael Finkbeiner, der für das Layout verantwortlich war, und natürlich auch meine Urlaubs- und Krankheitsvertreter, Karlheinz Flubacher und Du, Martin, haben mir nicht nur den Rücken freigehalten, sondern auch meine Schwächen hervorragend ausgeglichen.
Nach beinahe acht Jahren war für Dich dann Schluss bei der „Gartenpraxis“. Auf zu neuen Ufern: Bekanntermaßen bist Du jetzt Professor für Pflanzenverwendung an der FH Erfurt. Wird die „Gartenpraxis“ von Studierenden heutzutage überhaupt gelesen und kann sie ihnen etwas mit auf den Weg geben?
Getreu dem Motto „Ändere dich, bevor dich jemand ändert“ erschien mir 2017 der Zeitpunkt gekommen, ein neues Lebenskapitel aufzuschlagen. Nach einem Jahr des Übergangs und einem weiteren Jahr Elternzeit hat mich eine glückliche Fügung nach Erfurt gebracht.
Die ehrliche Antwort auf Deine Frage lautet: Von den wenigsten. Vermutlich war dies aber auch nie anders. Zum Glück gibt es in jedem Jahrgang Studierende, die eine besondere Beziehung zu Pflanzen haben. Und für diese ist noch immer die „Gp“ eine sehr wichtige „Nahrung“. Pflanzenwissen muss auf vielfältige Weise erworben und erhalten werden. Dafür ist ein monatliches Magazin ein wichtiges Element.
Und umgekehrt: Was bringen Studierende heutzutage mit, was müssen sie mitbringen, das die zukünftige Pflanzenverwendung voranbringt?
Ich bin froh, wenn vor mir neugierige junge Menschen sitzen, die Interesse am Gestalten und an der Natur haben. Für das Voranbringen sind aus meiner Sicht vier Erkenntnisse wichtig, wobei die ersten beiden vielleicht etwas paradox klingen: 1. Es gibt nicht die „Superpflanze“, die alles kann. 2. Es sollten Pflanzen bevorzugt werden, die eine möglichst breite Standortamplitude haben und somit mit unterschiedlichen Bedingungen zurechtkommen. 3. Die den Pflanzen innewohnende Dynamik ist gleichermaßen Herausforderung und Chance. Und 4. Pflanzen sind das schönste und erfüllendste Gestaltungsmittel, das uns zur Verfügung steht.
Wohin wird die Pflanzenverwendung Deiner Meinung nach gehen, in Bezug auf Klimawandel, Biodiversität und weitere Faktoren?
Zugeben macht es mich immer etwas sprachlos, wenn Personen den menschengemachten Klimawandel leugnen. Jeder, der gärtnert, wird binnen seines kurzen Lebens gemerkt haben, wie sich unsere Welt schon jetzt verändert hat. Die Klimawandelanpassung ist das Thema schlechthin. Es geht hier um viel mehr, als alles nur trockenheits- und hitzetolerant zu bepflanzen. Während der Großteil der Tierwelt noch verhältnismäßig schnell sein Areal verändern kann, bleiben die meisten Pflanzen bei diesem Tempo im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke. Wer Artenvielfalt ganzheitlich denkt, wird merken, dass wir um eine „Assisted Migration“, also eine Hilfestellung für Pflanzen beim Erschließen neuer Areale, nicht herumkommen – hier spielen Gärten übrigens eine herausragende Rolle. Auch wenn der Klimawandel mehrheitlich negative Folgen hat und haben wird, bietet er zumindest für uns Mitteleuropäer gärtnerisch gesehen auch Chancen.
Hast Du eine Lieblingspflanze, sei es Gattung, Art oder eine verwendungsbezogene Gruppe von Pflanzen?
Nein, etwa 11.643 … Ich kann mich für so viele Pflanzen begeistern, dass es nicht den Liebling gibt. Dennoch gibt es eine Pflanze, die ich besonders schätze, weil ich sie mit dem Beginn meiner Garten- und Pflanzenbegeisterung verbinde. Es handelt sich um einen besonders luxierenden, gewelltblättrigen Typ des Hirschzungenfarns (Asplenium scolopendrium), der im Garten meines Großvaters – selbst ein leidenschaftlicher Gartengestalter und Pflanzenliebhaber – wuchs. Da ich keine vergleichbare Sorte auftun konnte, habe ich ihn nach meinem Großvater ‘Franz Hahn’ benannt, viele hundertmal geteilt und weitergegeben.
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