Intern - Ein (nicht so) ganz normaler Arbeitstag mit ungewöhnlicher Rhododendron-Taufe
Bis 9 Uhr bleibt Zeit für die Familie. Anschließend wird der Koffer gepackt – es geht wieder für ein paar Tage nach Stuttgart. Auf dem Weg dorthin werden noch ein paar Termine wahrgenommen.
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Am späten Vormittag findet ein „Fotoshooting“ beim Berliner Irisliebhaber Volker Klehm statt – in der Gp-Ausgabe 7/15 unser „Sammler“ des Monats. Anschließend geht es zum Berliner Hauptbahnhof, wo Koffer, Rucksack und eine Tasche erstmal im Schließfach deponiert werden sollen. Gleich um die Ecke findet im Schloss Bellevue ab 13:30 Uhr eine Rhododendrontaufe durch die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten - Daniela Schadt - statt. Solch eine nicht alltägliche Gelegenheit lässt man sich nicht entgehen, zumal man so auch mal ein Blick in den Schlosspark werfen kann. Nach einer Polizeikontrolle und etwas Warten geht es mit einer illustren Truppe aus etwa 25 Personen zur geplanten Pflanzstelle in Park. Der Rhododendron ist schon da, Frau Schadt wenig später auch.
Jan-Dieter Bruns von der gleichnamigen Baumschule erzählt etwas zur Geschichte der neuen Sorte, die gleich den Namen „Daniela Schadt“ erhalten soll. Sie wurde vor 10 Jahren im Ammerland gezüchtet und soll sich neben der schönen dunkelroten Farbe durch sehr kompakten Wuchs auszeichnen. Es folgt eine kurze Rede vom Ammerländer Landrat, der auf die Besonderheiten seiner Heimat aufmerksam macht: Hier gibt es große Käseproduzenten, daneben die Wurstfabriken Meica und Rügenwalder und das Versandhaus Ulla Popken (bekannt für „Junge Mode ab Größe 42“). Der Figur zufolge scheint Frau Schadt vermutlich nicht zu den Kunden von Ulla Popken zu gehören, auch zu Meica und Rügenwalder äußert sie sich nicht. Außerdem hat der Landkreis in den letzten Jahren 25.000 Einwohner dazugewonnen, was aber nicht an einer besonderen Manneskraft liegt, sondern an den vielen Oldenburgern, die in den Nachbarkreis „rübermachen“, fügt der Landrat hinzu. Frau Schadt nickt anerkennend. Als der Landrat seine Lobeshymne beendet hat, ergänzt Jan-Dieter Bruns, dass das Oberhaupt des Ammerlandes vor Kurzem mit fast 90% wiedergewählt wurde. Frau Schadt stellt süffisant fest, dass man solche Wahlergebnisse ja noch von früher kenne.
Es folgt Klaus von Krosigk, der ehemalige Gartenbaudirektor im Berliner Landesdenkmalamt, der den Anwesenden erläutert, dass sich die neue Sorte hier im Schlosspark in guter „Rhododendron-Gesellschaft“ befände. Stimmt – rundherum stehen viele alte Exemplare. Außerdem gibt er ein Lob auf den Pflegezustand der Grünanlage aus. Zuletzt übermittelt er dem Publikum noch eine wichtige Botschaft, die er während seiner Lehraufträge immer seinen Studenten im 2. Semester eingebläut hat: „Wichtig ist, das Gärten schön sind." Zustimmung aus der Runde.
Jetzt wird’s ernst: Frau Schadt nähert sich zusammen mit Jan-Dieter Bruns und einem gefüllten Sektglas dem Täufling. Kurz bevor sie es ausschüttet, überkommen sie Gewissensbisse: „Darf man den Rhododendron überhaupt mit Sekt überschütten - schließlich ist er noch minderjährig?“ Auf das Glas Sekt folgt noch eine Gießkanne Wasser. Beim anschließenden kleinen Stehempfang im Schloss will Frau Schadt von Till Rehwaldt, dem Präsidenten des Bundes der Deutschen Landschaftsarchitekten, noch wissen, wie das denn so mit der Zusammenarbeit zwischen Stadtplanern, Architekten und Landschaftsarchitekten genau läuft. Rehwaldt gibt zu, dass die Landschaftsarchitekten meist recht spät ins Boot geholt werden. Von Krosigk kontert, dass es auch schon mal anders lief: In Berlin hat man früher erst Schmuckplätze angelegt und dann das Land darum teuer verkauft. Er selber wohne an einem solchen Beispiel, dem „schönen Viktoria-Luise Platz“. Das Publikum raunt „Ahhh“, „Ohhh“, „Ach wie schön“: Krosigk genießt die wohlwollende Reaktion auf seine Wohnlage und fügt hinzu, dass er den Platz ja schließlich auch denkmalgerecht sanieren lassen hat.
Zurück zum Hauptbahnhof und zum Schließfach. Dort muss ich feststellen, dass ich die Tasche wohl doch nicht ins Schließfach gestellt habe – sie ist weg. Auch am Informationsschalter hat sich nichts angefunden. Ich erinnere mich an ein Gespräch unter bahnfahrenden Redakteuren: „Ist es eigentlich statistisch bewiesen, dass unsere Berufsgruppe am meisten in Bahnhöfen und Zügen liegen lässt?“ In der Tasche waren Bücher, die ich ausgeliehen hatte und gleich beim nächsten Termin bei Wolfsburg zurückgeben wollte. Ärgerlich. Zum Glück ist der Buchverleiher, Ullrich Fischer, milde gestimmt. Auf seinem Waldgrundstück zeigt er mir seine Hosta-Kollektion, die er in der Juli-Ausgabe beschreibt und die ich nun Sorte für Sorte fotografiere. Er motiviert mich mit einer Tasse Kaffee, Kuchen und einem Rundgang durch seinen Dschungel. Anschließend fährt er mich wieder zum Wolfsburger Bahnhof. Inzwischen habe ich einen Zeitverzug von 3 Stunden gegenüber meiner ursprünglichen Planung. Ich bin hundemüde und fühle mich kaputt. Um 1:15 Uhr komme ich in Stuttgart an und nehme mir ein Taxi zu meiner Wohnung. Mit dem freundlichen Fahrer komme ich ins Gespräch. Wir diskutieren die Frage, ob „die Osmanen unvorsichtiger Weise die Tulpen an die Holländer verschenkt“ hätten, wie es im Unterricht in Istanbul früher so dargestellt wurde. Für einen kurzen Augenblick bin ich wieder hellwach. Um 1:40 Uhr falle ich schließlich ins Bett.
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