Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.

Chrysanthema in Lahr: Erstmalig ein „Ozukuri“ zu sehen

Bei der 19. Chrysanthema in Lahr, die vom 22. Oktober bis 13. November stattfindet, kann erstmals eine sogenannte „Ozukuri“-Form der Chrysantheme in Deutschland bestaunt werden. Diese Chrysanthemen-Kultur ist eines der Ergebnisse eines über acht Jahre andauernden Austausches mit der japanischen Stadt Kasama und des dortigen Shinto-Schreins "Inari Jinja".

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Stadt Lahr
Artikel teilen:

Während in Europa Chrysanthemen meist als einfacher herbstlicher Grabschmuck bekannt sind, pflegt man in Japan bei Chrysanthemen-Schauen Jahrhunderte alte Traditionen und zeigt kunstfertig gezogene Exemplare und eine Vielzahl von Sorten wie sie in Deutschland noch nie zu sehen waren. Eine der Erziehungsmethoden nennt sich „Ozukuri“, was übersetzt „groß machen“ bedeutet. Wie groß „groß“ ist, hängt von der von Generation zu Generation weitergebenen und entwickelten Kunstfertigkeit ab, mit der diese Pflanzen kultiviert werden. Im Nationalgarten Tokios, dem „Shinjuku Gyoen“, hat man schon Pflanzen mit 1000 Einzelblüten kultiviert, was „Ozukuri“ dann auch mit „Tausendblüter“ übersetzen lässt.

Was ist das Besondere an einem Ozukuri?
Etwa zwei Jahre bevor eine fertige Pflanze gezeigt werden kann, nehmen die Gärtner etwa 100 Stecklinge, aus denen dann in den ersten Monaten die zwölf Besten ausgewählt werden. Von diesen bleiben wiederum nur sechs Pflanzen, die bis zur Ausstellung weiter kultiviert werden können. Zunächst werden die Pflanzen so selektiert, dass sie sich auf fünf einzelne Hauptäste verzweigen, die sich am besten für die Kultivierung der dom-artigen Form eines „Ozukuri“ eignen. Danach erfolgt ein regelmäßiger Schnitt, der von Beginn an die künftige Zahl und Anordnung der gewünschten Blüten zu berücksichtigen hat. Jeder der Triebe ist mehrfach zu binden und zu positionieren, damit er optimale Lichtverhältnisse genießt. Wurzelraum und Nährstoffversorgung sind dem Wachstum der Pflanze regelmäßig anzupassen.

Um die üblicherweise nur einjährigen Pflanzen über zwei Jahre hinweg bis zu ihrer endgültigen Größe zu kultivieren, ist im Winterhalbjahr ein ausgeklügelter Rhythmus von zusätzlicher Belichtung erforderlich, um ein Übergang in die generative Wachstumsphase (Blüte und danach Absterben der Triebe) zu verhindern.

Ist diese gärtnerische Meisterleistung vollbracht, gilt es in filigran, sensibler Feinarbeit jeden einzelnen bis zu zwei Meter langen Blütenstängel an seine vorgegebene Position zu biegen und anzubinden. Das deutsche Sprichwort „auf Biegen und Brechen“ erfährt dabei eine besondere Bedeutung, denn ein falscher Handgriff, eine um wenige Millimeter zu weit geführte Biegung und schon ist die Arbeit von zwei Jahren dahin. Selbst wenn der Pflanze vor dieser zeitintensiven Arbeit bewusst ein Welkestadium zugemutet wird, um durch geringeren Zelldruck die Triebe weicher werden zu lassen, sind die zwei Jahre lang mühsam herangezogenen Triebe äußerst fragil.

Die Form der Darstellung als Dom beziehungsweise Viertel-Kugel entspricht der jahrhundertealten Tradition des „Shinjuku Gyoen“. Statt des ursprünglich als reines Bambuskonstrukt angedachten Gestells, haben die Gärtner in Lahr ein wiederverwendbares Metallgestell hergestellt.

Was gibt es zu sehen:
Als Ergebnis einer zweijährigen Kultur und allein 60 Stunden für das Binden der Pflanze, wird eine Chrysantheme präsentiert, die aus einem einzigen Trieb einen Dom von 2 x 1,20 Meter, eine Höhe von 1,60 Meter und 189 große Einzelblüten bildet. Eine Pflanze deren gärtnerisches Know-How und Akkuratesse so in Deutschland und wahrscheinlich in Europa noch nie kultiviert wurde. Gezeigt wird diese Pflanze, wie auch in Japan üblich, unter einem traditionellen Schutzdach, genannt „Uwaya“.

Was hat die Lahrer Gärtner motiviert?
Bereits beim ersten Besuch in Japan fielen den Lahrern die besonderen, „Ozukuri“ genannten Erziehungsformen auf. Zunächst dachten sie, es handele sich einfach um eine besondere Sorte. Erst auf Nachfragen wurde deutlich, dass es sich bei dieser Form um eine Kombination aus gärtnerischem Können und handwerklich-künstlerischer Fähigkeit handelt, deren Erfolg einen langjährigen Lernprozess darstellt. Bei mehreren weiteren Besuchen zu unterschiedlichen Jahreszeiten, kombiniert mit einem schriftlichen Austausch, gewannen die Lahrer immer neue Erkenntnisse. Als 2014 im Petit Trianon in Versailles Tokio als Partnerstadt von Paris gleich zwei „Ozukuri“ ausstellte, war das die Gelegenheit, auch den Lahrer Stadtgärtnern diese bisher nur über Fotos bekannte Besonderheit nahezubringen. Zwei Pflanzen jeweils mit einem Durchmesser von knapp fünf Metern zogen dort zigtausende Besucher in ihren Bann. In Kombination mit dem aus Japan mitgebrachten Know-How war klar, dass die Gärtner das auch in Lahr versuchen wollten.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren