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Kolumne | Torsten Matschiess

Systematik der Gartenmenschen

Schon länger kokettiere ich mit dem Gedanken, eine vollständige, küchenpsychologische Betrachtung auffälliger Gartenmenschen zu schreiben. Wer denkt nicht spontan an originelle Zeitgenossen im weiten Pflanzenumfeld, über die gerne, je nach regionalem Temperament, mal offen, mal eher hinter vorgehaltener Hand gelästert wird? Anhand derer ließe sich eine vorläufige Systematik der Grundtypen ableiten: Sammler, Entdecker, Nischenfetischisten, Gigantomanen.
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Torsten Matschiess
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Und schnell wird deutlich, dass wir in Sachen Diversität in einen typischen Komplexitätskonflikt geraten. Es wird keine leichte Entscheidung sein festzulegen, welche echten Typen (Bienenfreunde) wir benennen, welche Untertypen (Permakultur-Anhänger) es gibt, welche sich gar hineinklagen (Terra-Preta-Nutzer) und welche (Ampelgärtner) mal wieder nur mitgedacht werden. Als Westfale am Niederrhein interessiert mich besonders die Frage, ob es regionale Unterschiede bei Blumenmenschen gibt und ob und wie sich all die Annahmen, Gerüchte und Vorurteile messen, analysieren und evaluieren lassen. Stimmt zum Beispiel das Gerücht, dass Oberfranken die besseren Pflanzenliebhaber sind? Leider finde ich die Quelle nicht mehr, dass viele Golfclubs in Sachsen sich zu einem Aufnahmestopp von Balkonbewohnern gezwungen sahen, nachdem Craspedia globosa zur Balkonpflanze des Jahres bestimmt wurde.

Ein Grund, dass ich diese Betrachtungen immer wieder aufs Neue verwerfe, könnte an meinem Mangel an Bereitschaft liegen, diesen Blick auch einmal kritisch auf mich selbst zu werfen. Denn wer ergründen will, warum Menschen fast ausschließlich die pflegeintensive Gattung Iris sammeln, muss auch bereit sein, in eigene Abgründe zu blicken. Es wäre auch kein Unterschied, sammelte man statt Iris lieber und in oft gebückter Haltung Bryophyta? Ich wage nicht, die bescheidene Ansammlung von 60 pflegeleichten Cultivaren Bistorta amplexicaulis im Garten des Kolumnisten mit der Leidenschaft anderer Sammler zu vergleichen, deren Gattungen es locker auf vier- bis fünfstellige Stückzahlen bei den registrierten Sorten bringen. Interessanter als die vorgeschobene Sammelleidenschaft scheint mir ein anderer Aspekt: der Garten als Rückzugsraum der Misanthropie oder gar als Schutzraum für Soziopathen. Wer keine Menschen mag, oder nicht zu jeder Zeit, oder wem der Kontakt zu diesen, sagen wir mal, gelegentlich suspekt ist, dürfte den eigenen bewachsenen Raum als Paradies empfinden. Normal, oder? Ich gehe sogar so weit, dass wir viele Sozio- und vielleicht sogar Psychopathen nicht mehr nur in Banken, Konzernen, Medien, Gefängnissen oder Kanzleien parken müssten, wenn wir ihnen nur rechtzeitig genügend Land und Pflanzen gäben.

Torsten Matschiess plant, schreibt und sammelt Gehölze.

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