Ernst-Pagels-Symposium - Nachlese
Die Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur hat im August 2022 das Ernst-Pagels-Symposium in Papenburg veranstaltet. Hochkarätige Referenten haben Ernst Pagels' wichtige Rolle als Züchter, Vordenker und Visionär einer neuen Pflanzenästhetik beleuchtet - alle Vorträge sind nun auch als Video nachzuhören.
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Ein Ausleser mit genauem Blick
Den Reigen der Fachvorträge eröffnete dann Gerhard Mühring, Gartenbauingenieur und langjähriger Wegbegleiter von Ernst Pagels, mit dem er einen intensiven gärtnerischen Austausch pflegte. Im Sortiment seiner Staudengärtnerei in Westoverledigen pflegt und bewahrt er Pagels Erbe. In lockerem Bericht, illustriert mit Fotos von Marion Nickig, zeichnete Mühring, der im Andenken an den Freund gerade ein Gras mit dessen Namen hat lizensieren lassen, ein lebendiges und von persönlichen Erlebnissen geprägtes Portrait von Pagels. Mit größter Hochachtung spricht er von ihm: „Pagels konnte beobachten wie kein anderer“, „er liebte, was die Natur hervorbrachte und hat nur ausgelesen, nicht gezüchtigt“. Mühring kennt viele Details, Episoden und Anekdoten, z.B. dass Pagels hohe Stauden liebte, und wie die – z.T. drolligen - Namen für neue Sorten gefunden wurden.
Ideale der Staudenzüchtung
So hätte man immer weiter zuhören mögen, aber Heike Sicconi, charmante Moderatorin der Tagung, führte weiter im Programm, und leitete über zu Jens Schachtschneider und seinem vielversprechenden Thema: „Warum Ernst Pagels vielen heutigen Pflanzenzüchtern die Leviten lesen würde!“ Eigentlich war klar, was zu erwarten war, und der engagierte Gärtnermeister brachte es dann auch mit erfrischender Klarheit auf die wesentlichen Punkte, nämlich was die Ziele der Staudenzüchter früher waren und was sie heute (vielfach) sind: Einer jahrelangen Beobachtung, Auslese und Prüfung mit dem Ziel der Bereicherung des Sortiments und der Schaffung neuer Sorten für eine ganze Generation stehen heute die billige und schnelle Anzucht, das Gebot optischer Attraktivität, die jährliche Lieferung von kurzlebigen Neuheiten und vor allem der wirtschaftliche Erfolg als Ziele gegenüber. Und wir alle kennen zu Genüge die wunderbar im Gartencenter blühende Echinacea, von der im zweiten Jahr nichts mehr zu sehen ist. Aber Schachtschneider wies auch mit leisem Optimismus auf engagierte junge Gärtner hin, die die Ideale eines Ernst Pagels neu beleben und nicht gegen, sondern mit der Natur gärtnern.
Beth Chatto und Pagels
Peter Janke, Gartenplaner aus Hilden, hat Ernst Pagels nicht kennengelernt. Ihm gelang es in seinem anregenden Vortrag, ein Bindeglied zu Pagels zum Thema zu machen, nämlich Beth Chatto, Grande Dame der englischen Gartenkunst. Janke hat von 2003 bis 2004 im Garten von Beth Chatto in Essex gearbeitet, Beth Chatto und Ernst Pagels, der genau 10 Jahre älter war als sie, pflegten gärtnerischen Kontakt und Austausch, beide gärtnerten unter schwierigen Bedingungen, beide sieht Janke als „Vordenker zeitgenössischer Gartenästhetik“. Chatto hat nicht eigentlich gezüchtet, ihre Domäne war die standortgerechte Verwendung der Stauden, aber sie hat Pagels besucht und schreibt über diesen Besuch in Leer: „We found a nursery after my heart“. Und Ernst Pagels sprach von ihr als „die vornehmste Dame, die ich kenne“. Dem haben wir nichts hinzuzufügen, außer, dass Peter Janke abschließend die These formulierte, dass Pagels Pflanzen höchstwahrscheinlich gegen den Klimawandel besser gefeit seien als andere. Dafür gab es eine Menge Zustimmung im Publikum und Applaus für den klugen und lehrreichen Vortrag.
Wolfgang Oehmes Staudenverwendung
Für die kurzfristig erkrankten Petra Pelz und Dieter Gaißmayer sprangen Stefan Leppert und Hanne Roth, beide Landschaftsarchitekten und Autoren besonderer Gartenbücher, ein. Leppert stellt den Gartenplaner Wolfgang Oehme vor, der 1958 nach Amerika auswanderte, den Kopf voller Eindrücke von der Internationalen Gartenausstellung in Hamburg, die er im Land der endlosen Rasenflächen realisieren wollte: „Rasen weg, Stauden hin“, und das nicht zu knapp, denn Oehme pflanzte nicht drei, fünf oder sieben Exemplare, sondern dreihundert, und die Wirkung ist immer noch gewaltig. Mit üppigem Bildmaterial stellte Leppert zahlreiche Gärten und Anlagen vor, die Oehme gestaltet hat.
Lieblingspflanzen von Petra Pelz
Hanne Roth nutzte das Bildmaterial von Petra Pelz und stellte deren Lieblingspflanzen vor. Oehme habe sie stark geprägt, „Die neuen romantischen Gärten“ hätten sie für ihre Arbeit inspiriert, und daraus folgten natürlich großflächige Bepflanzungen mit robusten Stauden. Roth benutzte eine interessante Formulierung, die die Zuhörer aufhorchen ließ: „Für die Zukunft werden nicht trockenheitsresistente Pflanzen gesucht, sondern trockenheitsliebende, die eine gelegentliche Überschwemmung vertragen.“ Es wird sich lohnen, den kleinen und feinen Unterschied im Gedächtnis zu behalten.
Über den Tellerrand blicken
Eine rege Korrespondenz mit Ernst Pagels pflegte zu dessen Lebzeiten Christian Kreß, Gründer von Sarastro-Stauden, und Mitautor von „Blackbox Gardening“, der aus Österreich gekommen war, und der in seinem Vortrag vor allem diese Botschaft für angehende Gärtner hatte: Habe Mut, dich gegen den Uniformismus von Gartencentern zu stellen, sei neugierig und bereise die Welt, damit Du über den Tellerrand zu blicken lernst, beobachte und prüfe! Dass und wie er selber nach diesen Maximen gelebt hat, illustrierte Kreß kurzweilig und mit umfangreichem Bildmaterial. Die Zuhörer kannten ihn schon als jemanden, der Russland wegen des Phloxes bereist hat, lernten ihn aber nun als wahren Globetrotter kennen, der Ecuador, den Iran und Kirgisien bereiste, immer auf der Suche nach botanischen Entdeckungen. Insofern war auch er für die fünf anwesenden, mit einem Symposium-Stipendium bedachten Junggärtner (den drei Unterstützern Jelitto, Staudenring und Staudengärtnerei Gaißmayer sei an dieser Stelle herzlich gedankt) ein authentisches Vorbild.
Der Zauber der Staudenwiesen
Zum Schluss dann etwas besonders Apartes: „Wilde Wiesen? Von der Schönheit gepflanzter Staudenwiesen.“ Joachim Hegmann ist promovierter Chemiker und arbeitete 25 Jahre in diesem Bereich, bevor er sich ganz und mit Haut und Haaren seiner Liebe zu naturnahen Pflanzen und deren Verwendung widmete. Schon vorher hatte er immer wieder private und öffentliche Gärten gestaltet, sein Buch „Wilde Wiesen gestalten“ erhielt 2022 den Deutschen Gartenbuchpreis in der Sparte Beste Ratgeber. An zahlreichen Beispielen wie dem BernePark in Bottrop, dem Garten von Piet Oudolf auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein oder kleinen öffentlichen Plätzen in Ludwigshafen erläuterte Hegmann, worum es geht: Im klassischen Staudenbeet herrschen große, gefüllte Blumen vor, es gibt nur sehr wenige Gräser, die Pflanzung ist geordnet, in gewisser Weise statisch, es wird gedüngt und gegossen. Im wilden Wiesenstaudenbeet hingegen dominieren Gräser, Stauden mit kleinen, ungefüllten Blüten, das Arrangement wirkt ungeordnet, naturnah, es wir nicht gedüngt und kaum gegossen. Für Hegmann sind dies „Gärten mit Seele“.
Den Garten neu sehen
All dies bot unendlich viel Anregung und stärkte die Lust, den eigenen Garten neu zu sehen, zu prüfen, anzupassen. Und manch einer hatte gelernt, dass es neben Karl Foerster und Georg Arends einen Staudenzüchter Ernst Pagels gegeben hat, dessen Arbeit und Wirken bedeutsamer waren, als man bisher wusste.
Informationen
Wenn Sie Lust bekommen haben, sich die Vorträge mitsamt interessanten Bildern anzuschauen, können Sie dies demnächst auf dem Youtube-Kanal anschauen (Playlist) oder auf der Webseite: www.gartengesellschaft.de
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